Um ehrlich zu sein, habe ich das Hörbuch nur angefragt, weil es von Anna Thalbach gelesen wird und sie mich bei „Mein ein und Alles“ schon total mitreißen konnte. Diese Art von Unterhaltungsliteratur ist nicht mein Genre, auch das Cover fand ich mäßig ansprechend. Anna hat jedoch eine massive Wirkung auf mich.
Auch ist es in diesem Buch nicht anders. Bücher, gesprochen von ihr, gleichen einem Hörspiel, keinem Hörbuch. Der Schweizer spricht Schwyzerdütsch, der Berliner berlinert, Papa bekommt einen tiefen Bass und die 9-jährige Göre klingt trotzig und rotzig und hell.
So genug von Anna geschwärmt, kommen wir zum Buch.
Wir sind in Berlin, der Krieg ist gerade überstanden, die Besetzungsmächte erobern die Stadt. Die einst wohlhabende Familie Thalheim kauert im Keller der Villa beisammen. Aller Männer beraubt durch den Krieg.
Man begleitet die Mädchen der Familie, da ist Ulrike, genannt Rike. Sie ist vernünftig und klug, häufig sehr vorsichtig, weil sie einen tragischen Unfall erleben musste. Meist nimmt sie die Verantwortung für die Familie auf sich. Sie leitet im Prinzip die Familie durch die bevorstehende Zeit und nimmt das Ruder in die Hand. Verzichtet dabei jahrelang auf ihr eigenes Glück.
Sylvie ist die mittlere der Mädchen und versucht immer alles mit Humor zu nehmen, sie ist auch die Rebellin der Mädchen, bis ihr der Rang abgelaufen wird. Sie vermisst ihren Zwillingsbruder Oskar sehr. Wie alle jungen und später auch alle alten Männer wurde er in den Krieg geschickt und bis heute ist er nicht zurück. Als Zwilling behauptet sie immer wieder steif und fest, er wäre nicht tot. Sie ist geschickt im Handeln, redegewandt und hat eine tolle Stimme. Diese Vorteile kann sie in dieser Zeit gut für die Familie nutzen.
Florentine ist die Jüngste der Schwestern, zu Anfang des Buchs gerade 9 oder 10 Jahre alt, begleiten wir sie durch die Pubertät. Sie malt und hält ihrer älteren Verwandtschaft unverblümt den Spiegel vor. Dieses Kind hat mich sehr an meine eigenen erinnert.
Zu Florentine gehört ihre Mutter Claire, sie ist die zweite Frau von Friedrich Thalbach und Stiefmutter der großen Kinder. Sie ist Französin, was sie während der Kriegsjahre auch häufig verstecken musste. Das Schicksal hat auch sie gezeichnet, aber sie lässt sich nicht unterkriegen. Sie ist stärker, als vermutet und hält in vielen Bereichen den ganzen Laden dann doch zusammen.
Wir begleiten die Familie durch die kargen Jahre der frühen Nachkriegszeit. Gezeichnet von Hunger, Kälte und Armut versuchen sie sich dennoch durchzuschlagen. Sie verlieren die Villa an die Besatzer, aber da ist noch Omas alte kleine Wohnung, die geht auch. Im zerbombten Berlin ist ein Dach über dem Kopf viel wert. Sie melden sich als Trümmerfrauen um an bessere Essensmarken zu kommen. Freunde von früher werden gefunden und beherbergt. Der Tauschhandel blüht, der Schwarzmarkt erst recht. Alle sind knapp, aber was man hat, wird geteilt. Durch geschickte Schachzüge vor oder während des Krieges, konnten die Thalheims sich ein Minifundament für einen Neustart bilden.
Trotz einiger Schicksalsschläge und auch erfreulicher Gegebenheiten, schaffen sie es durch diese spannende Zeit.
Einzig das Ende des Buches lässt mich etwas ratlos zurück, aber dann sehe ich, es war Teil eins einer Trilogie und es schließt sich der Kreis. Will ich mehr wissen, muss ich mehr hören. Buch zwei wird leider nicht von Anna Thalbach gelesen und so weiß ich wirklich nicht, ob ich es hören will.
Es war nett, es hat mich unterhalten und es war durchaus interessant noch einmal außerhalb vom Geschichtsunterricht etwas über die Nachkriegsjahre in Deutschland zu erfahren. Aber genau deshalb leider nur 3 von 5 Sternen, wobei einer schon der Sprecherin gehört!